Sabine Boehlich

Jiddisch in Hamburg

Am 8. August 2016 ist nach schwerer Krankheit Sabine Boehlich von uns gegangen. Sie hat dem Erhalt und der Verbreitung der jiddischen Sprache und Kultur große Dienste erwiesen, nicht zuletzt als langjährige 2. Vorsitzende der Salomo-Birnbaum-Gesellschaft für Jiddisch.

Sabine Boehlich.

Als junge Frau studierte Sabine an der Filmhochschule in München. Das Interesse zum Film begleitete sie ihr ganzes Leben lang, z. B. beim Kuratieren von Kinovorstellungen jiddischer Filme in Hamburg. Dabei entdeckte sie das Jiddische verhältnismäßig spät während ihres Studiums der Judaistik und Religionswissenschaften in Potsdam. Sie war Studentin bei Professor Karl-Erich Grözinger, bei dem sie ihre Magisterarbeit über jüdische mystische Traditionen im Werk des Nisters (Pinkhas Kahanovitsh) schrieb. Diese Arbeit, in der sie dessen Erzählung „Nay-gayst“ untersucht hat, erschien später auch in Buchform.

Sabine engagierte sich auch politisch und gesellschaftlich. Viele Jahre lang war sie Vorsitzende der GAL- (jetzt: Grünen-) Bürgerschaftsfraktion in Hamburg. Gemeinsam mit ihrem Mann Martin Schmidt gründete sie den Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese – dem Viertel, in dem sie geboren wurde und in welches sie später als erwachsene Frau zurückkehren sollte. Der Verein befasste sich unter anderem mit der Geschichte des jüdischen Kinderheims, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Blankenese gegründet wurde. Über dieses Heim führte der Weg Hunderter von Kindern nach Palästina, die sich als Flüchtlinge der Shoah größtenteils aus dem Lager Bergen-Belsen hatten retten können. Der Verein stellte den Kontakt zur israelischen Organisation „Die Kinder von Blankenese“ her, wodurch noch einmal 120 der ehemaligen „Kinder“ mit ihren Familien zu Besuch nach Hamburg kamen. Sabine war auch beteiligt an der Vorbereitung der Ausstellung „Viermal Leben: Jüdisches Schicksal in Blankenese“. Diese erzählte das Leben vierer jüdischer Persönlichkeiten aus Blankenese, die sich einen Tag vor ihrer Deportation ins Lager Theresienstadt das Leben genommen hatten. Unter ihnen befand sich auch Sabines Urgroßmutter, die Schriftstellerin und Armenpflegerin Sophie Jansen. Sabine verbrachte viel Zeit damit, in Archiven Materialien für die Ausstellung zusammenzustellen sowie ein Begleitprogramm und Vorträge zu organisieren. Die Ausstellung zog viele Hamburger an und ging an den Besuchern nicht spurlos vorbei.

Unsere Salomo-Birnbaum-Gesellschaft hat Sabines wissenschaftlicher Herangehensweise und ihrem Organisationstalent ungeheuer viel zu verdanken. Dies hat sie besonders 2015 bei der Vorbereitung der Konferenz zum 20jährigen Jubiläum unserer Gesellschaft bewiesen. Die Konferenz war unserem Namensgeber gewidmet, dem Sprachwissenschaftler Salomo Birnbaum, der der erste Jiddisch-Lehrende an der Universität Hamburg und damit in ganz Europa war.

Daneben entzifferte Sabine mit großem Eifer aus den Ghettos überlieferte Briefe. Ihre Übersetzungen der kaum leserlichen Briefe vom Jiddischen ins Deutsche wurden in dem Band „Judenverfolgung – Holocaust Edition, Vol. 16“ abgedruckt. Im vergangenen Jahr begann Sabine mit großer Begeisterung Kurse für jiddische Literatur an der Hamburger Volkshochschule zu geben.

Mit Sabine haben wir eine kreative, aufopfernde Organisatorin, eine ambitionierte Forscherin und vor allem eine teure Freundin verloren.

Koved ir ondenk!

von Danka Kowalski (aus dem Polnischen von Marcel Seidel)