Prof. Isidor Levin

Jiddisch in Hamburg

Am 24. Juli 2018 ist der sehr von uns geschätzte Prof. Isidor Levin im Alter von fast 99 Jahren in Hamburg gestorben.

Er wurde am 20. Sept. 1919 in Dünaburg/Daugavpils, Lettland, geboren und studierte ab 1938 an der Tartuer Universität Jüdische Wissenschaft bei Lazar Gulkovich. Darüber hinaus studierte er dort Semitistik und vergleichende europäische Volkskunde (u.a. Märchenforschung) bei Uku Masing, der ihn vor den Nazis rettete (dafür wurde ihm und seiner Frau Eha auf Levins Initiative hin in der Allee der Gerechten in Yad Vashem ein Baum gepflanzt).

Sein Examen in Tartu fand am 1. Juli 1941 statt: An diesem Tag wurden sein Vater, Großvater und andere Verwandte in Dünaburg durch die Nazis erschossen, wenige Wochen später seine Mutter und der Rest seiner ganzen Familie, dazu Freunde und Klassenkameraden. Er selber versteckte sich vor den Nazis in Estland, wo er inhaftiert wurde und Zwangsarbeit verrichten musste. Nachdem er ins KZ Stutthof geraten war, wurde er von dort auf den Todesmarsch Richtung Ostsee geschickt und schließlich unterwegs von der angerückten Roten Armee befreit. Das war aber zunächst “nicht die Freiheit, die ich meinte“. (Zitat Levin)

Nach dem Krieg studierte Levin erneut, dieses Mal Russistik in Leningrad. Er wurde in der Folge von der Akademie der Wissenschaften Tadschikistans eingeladen, einige Jahre später auch von der Akademie der Wissenschaften Armeniens nach Eriwan. Prof. Isidor Levin erhielt viele wissenschaftliche Auszeichnungen in Italien, Österreich und Deutschland. 2003 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, wo er eine Methodik zur volkskundlichen Dokumentation der Kultur der jiddischen Sprache erarbeitete. Unter seinen zahlreichen internationalen Publikationen wurden u. a. 4 wissenschaftliche Märcheneditionen in Deutschland herausgegeben, die zu Standardwerken wurden („Märchen aus dem Kaukasus“ 1978, „Armenische Märchen“ 1982, „Märchen vom Dach der Welt“ 1986, „Zarensohn am Feuerfluss, russische Märchen von der Weißmeerküste“ 1984). Gründungs- und Ehrenmitglied der International Society of Folk Narrative Research (ISFNR), Ehrenmitglied der Folklore Fellows an der Akademie der Wissenschaften Finnlands und korrespondierendes Mitglied des Wiener Vereins für Volkskunde.

Für seine Verdienste um Volk und Regierung Estlands erhielt er den „Weißsternorden“.

Ebenfalls war er viele Jahre lang externer Mitarbeiter der Arbeitsstelle „Enzyklopädie des Märchens“, für die er zahlreiche Beiträge schrieb (u.a. über Afanasjev und Azadovskij).

Erst spät, im Jahre 2006, konnte er für immer nach Hamburg übersiedeln. Hier widmete er sich immer mehr der Jüdischen Wissenschaft, hielt u.a. Vorträge in der SBG, vor der Gesellschaft für Jüdisch-Christliche Zusammenarbeit (GJCZ) und vor der Psychologischen Gesellschaft im literarischen Salon Café Leonar.